Ungemarktes und unnumeriertes Schweizer Spielwerk mit 64 Zungen, von denen eine sehr schmal ausgeformt ist

Die mit dem Pfeil markierte Zunge ist etwas schmäler als ihre Nachbarn. An der Zungenwurzel noch normal breit dimensioniert wird sie dann zur Spitze zu immer schlanker.

Der Spielwerkrestaurator Hans-Jürgen Eisel führt aus:

Schmale Zungen dürften quasi als Unfall beim Fräsen entstanden sein.  Diese „Unfälle“ habe ich schon oft vorgefunden. Solche der schmalen Zungen klingen keinesfalls höher, sie fügen sich in die auf- bzw. absteigende Tonleiter genau ein. Je schmaler die Zunge umso geringer wird die Steifheit der Zunge. Das heißt ihre Tonfrequenz wird geringer weil die Auslenkung beim Schwingen nun größer wird. Wenn die Zunge nun zu schmal gefräst wurde, wie hier in diesem Fall, muss dafür gesorgt werden dass sie entsprechend der Tonleiter Ihre Stimmung erhält. Dazu muss die Zunge im zungenspitzennahen Bereich dünner geschliffen werden damit sie in diesem Bereich Schwingungsmasse verliert und der Ton höher wird und dem der Nachbarzungen angepasst werden kann. Die Zunge kann jedoch theoretisch auch höher gestimmt werden indem sie im elastischen Bereich verdickt wird und damit die Steifheit erhöht wird. So kann auch die Tonhöhe erhöht werden und der Fehler beim Fräsen korrigiert werden. Und sollte sie durch diese Maßnahme zu hoch klingen dann kann man in diesem Bereich sie wieder etwas dünner Schleifen oder man bringt im Zungenbereich wo sich die Schwingungsmasse befindet etwas Blei an um den Ton zu erniedrigen.

Den Ton einer Zunge kann man theoretisch erhöhen, indem man die Zungensteifheit im elastischen Bereich verstärkt (was jedoch in der Praxis nicht möglich ist, da die Zungen in diesem Bereich meist schon auf ihre endgültige Stärke vorbearbeitet sind)  bzw. indem man die Zunge im Bereich ihrer Schwingungsmasse (im zungennahem Bereich) verringert, was generell immer möglich ist. Dies jedoch auch nur begrenzt, denn wenn zuviel Masse entfernt wird kann die Zunge im Schwingungsmassebereich dann zu dünn werden, ihre Stabilität verlieren, sie wird im Schwingungsmassebereich unerwünscht biegsam und kann nicht mehr sauber angezupft werden bzw. sie kann an der verdünnten Stelle beim Anzupfen auch abbrechen.

Die abgebildete schmalere Zunge hat jedoch einen kleinen Nachteil den man aber kaum heraus hört. Sie spielt etwas leiser. Je schmaler die Zungen gefertigt sind umso leiser, umso zärtlicher ist ihr Klang. Die Basszungen sind aus diesem Grund auch besonders breit gehalten um einen kräftigen Bass zu bekommen. Aber es gibt auch noch einen weiteren wichtigen Grund, der im Schwingungsverhalten der Basszungen liegt. Nachdem Anzupfen schwingt die Zunge nicht nur vertikal sondern es findet auch eine Schwingungsebene horizontal, also rechts-links, und eine Torsion um ihre eigene Achse statt. Diese weiteren Schwingungsebenen können derart groß sein, dass sich die Bleigewichte an der Zungen gegenseitig berühren und dadurch störende Nebengeräusche entstehen können. Um diese unerwünschte Torsion der Zungen zu verringern, werden die entsprechenden Basszungen breiter ausgefräst. So erhalten diese eine höhere Stabilität, welche die seitliche Auslenkung auf ein nichtstörendes Maß minimiert.


Das kleinformatige (small size) Spielwerk Nr. 47488 (siehe den oberen Pfeil), mit dem Ullmann-Logo (siehe den unteren Pfeil), weist sowohl eine grosse letzte Basszunge auf
wie auch eine sehr dünne kleinste Sopranzunge