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Entfernt man bei einer Uhr den Deckel des Sockels einer Portaluhr, in dem das Spielwerks untergebracht ist, findet sich oft ein Herstellermarke auf dem Kamm und/oder auf dem Kammbock. Das Federhaus mit dem Aufzugsdorn ist links, der Windflügel rechts. Die Hersteller lässt sich bequem ablesen. Die Basszähne der österreichischen Spielwerke sind aus der Sicht des Uhrmachers rechts zu sehen.
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Warum sind Baßzungen der österreichischen und der frühen schweizerischen Werke rechts?
In der Geschichte des Musikinstrumentenbaues findet sich gewöhnlich die Anordnung der tiefen Töne links und der hohen Töne rechts. Eine Ausnahme bildet nur die Pauke, da bei der Mitführung zweier Pauken auf dem Pferd der Säbel des Paukisten rechts zu sein hatte, und dabei die Spitze des Säbels auf die linke Seite geragt und dort die größere Pauke beschädigt hätte. Es musste daher die kleine Pauke auf der linken Seite mitgeführt werden, und auch heute noch ist auf dem Konzertpodium oder im Orchestergraben die größte Paukentrommel rechts positioniert. Bei allem anderen Instrumenten jedoch wie etwa Cembalo, Hammerklavier und Orgelpositiven, die auf Prozessionen mitgetragen wurden, sind die langen Pfeifen bzw. Saiten bzw. bei den Spielwerken die Zungen, die die tiefen Töne produzieren, immer links. Bei den Uhrenspielwerken ist der „Spieler“ sozusagen die Walze und der tonerzeugende Kamm das „Instrument“. Beim Blick in die Portaluhr sieht man zuerst dem Kamm, mit den Baßzungen rechts, und dahinter ist der „Spieler“, die Walze, positioniert, aus deren „Sicht“ die tiefen Töne links erzeugt werden.
Die österreichischen Spielwerke weisen also, Zeit ihres Bestehens bis ins frühe 20. Jahrhundert, als Musikinstrument betrachtet, ausgebaut und um 180 Grad gedreht, die langen Zungen des Basses auf der linken Seite auf, eingebaut in den Spielwerksockel sind sie von aussen eingesehen auf der rechten Seite zu erblicken
„Rzebitschek [...] in the style of Olbrich, the teeth of the comb reversed so that the bass notes were to the right of the movement [...]“ (Webb p. 233)
„Olbrich [...] , reversal of the comb which has the long bass teeth on the right“ (Ord-Hume, figure 15a)
Die Schweizer Spielwerkhersteller drehten diese Anordnung um etwa 1820 bis 1830 um, sodass sich die langen Zungen aus der Sicht des Musikers (bzw. der Spielwerkwalze) nicht mehr links, sondern rechts befanden bzw. aus der Sicht des Uhrmachers, von aussen in eine Portaluhr in den Spielwerksockel eingesehen, links.
Warum kam es in der Schweiz zu dieser Umdrehung der bisher üblichen Anordnung? Offenbar löste man sich vom Modell Hammerklavier, dieses verlor seine Führungsrolle, während die erst später einsetzende Spielwerkproduzenten in Prag und Wien anfänglich noch das Hammerklavier benötigte und auch später an der usprünglichen Anordnung festhielten. In der Schweiz begannen um 1820 nicht klavierspielende Arrangeure mit dem Setzen der Melodie wie beim Lesen einer Buchseite links, also die Anordnung umzudrehen, und fügten die Begleitung oder, falls vorhanden, die Mittelstimme, erst nachträglich dazu. Das reich an Läufen, Trillern, Arpeggien und mehr oder weniger schönen Verzierungen (Arabesken) reiche Arrangement der schweizerischen Hersteller orientiert sich mehr am „Musikinstrument Spielwerk“ und versucht, ungeachtet ihres musikalischen Wertes, alle Möglichkeiten des „Instrumentes“ auszuloten, während sich die Wiener Arrangeure mehr an die Originalmusik hielten und die Melodie (wenn erforderlich auch mit Nebenstimme) in den Vordergrund ihrer Bemühungen stellten. |