„Vom Setzen von Musikstücken auf Walzen für selbstspielende Musikspielwerken“

(undatiert, von Gustav Rzebitschek)


„Die wohl schönste Abhandlung, zumindest für die Spieluhrenliebhaber, trägt den Titel: `Vom Setzen von Musikstücken auf Walzen für selbstspielende Musikspielwerke´, worin Gustav eine genaue Beschreibung des damaligen Produktionsverfahrens lieferte. Das Kapitel `Die Řebiček´s´ berichtet hierüber ausführlich. Gustav geht in dieser Abhandlung nicht darauf ein, weshalb sein Vater und er den niedrigsten Basszahn mit zwei Spitzen fabriziert haben. Da die rechte Spitze nicht benutzt wird, muss man annehmen, dass diese nur den Zweck hat, die richtige Stellung des Kammes auf der Fräse zu gewährleisten. In älteren Werken ist diese rechte Spitze meist abgefeilt, später hat man das unterlassen. Die Zwei-Spitzen-Methode ist übrigens ein Rzebitschek-Charakteristikum.“ [Goldhoorn S. 30]


„Das Setzen von Musikstücken auf Walzen für selbstspielende Musikspielwerke

 

„In der analytischen Geometrie bestimmt man einen Punkt durch seine gegebenen Ordinaten. Dieser Vorgang geschieht ebenso beim Setzen eines bestimmten Tones auf die Walze. Die Bewegung der Walze (selbstverständlich nur nach einer Richtung) ist unsere Ordinate, die Scala von Tönen die Abszisse.

 

Nach diesem Prinzip sind die Maschinen hergestellt, welche bestimmt sind, die Musikstücke auf die Walze zu setzen. Die nachfolgende Skizze möge als Schema die Arbeit der Maschine versinnlichen. W ist die Walze, auf welcher die Musikstücke gesetzt werden sollen; V ein Rad, welches mit der Walze W fest verbunden ist.

In dieses Rad greift eine Schraube S ein, auf welcher ein Rädchen ER (Einsatzrad) befestigt ist. Dieses Rädchen läszt sich entfernen und durch eines mit einer anderen Zahnzahl versehenes ersetzen. Dieses Einsatzrädchen hat nun soviel Zähne, als das Musikstück Takte hat; doch musz man eine entsprechende Zahnzahl mehr nehmen, und zwar aus weiter unten angegebenen Gründen. Dieses Rädchen ER greift nun in das Rad R ein, welches genau soviele Zähne haben musz als das Rad V. Dieses Rad R ist konzentrisch mit einer Scheibe P, aus welcher ein Zeiger Z herausragt, welcher mit dem Rad fest verbunden ist. Auf der festen Scheibe P sind vierteilige Kreise eingezeichnet, und zwar ist die äuszere für den 4 Vierteltakt, 2 Vierteltakt usw. bestimmt. Der innere Kreis dient zum Takteinteilen für ¾ Takt 6/8 Takt usw. Der Zeiger hat an seiner Basis ein Schlitz, welcher gestattet, den Zeiger entweder auf den äuszeren oder inneren Kreis einzustellen.

 

Was nun die einzelnen Teile dieser Kreise anbelangt, so ist, wie aus der Skizze zu ersehen ist, der äuszerste Teilkreis a zuerst in vier Viertel, und diese wieder in die Hälften dieser Viertel, also in Achtel geteilt. Der nächstfolgende teilt diese Viertel in 3 bzw. 6 Teile, der 3. Kreis teilt die Viertel in 5 und der 4. innere Teilkreis in 7 Teile.

 

Ebenso ist diese Einrichtung beim Kreis b. Dieser ist, wie aus der Skizze zu ersehen ist, in 3 Teile (Viertel) geteilt, weil, wie schon eben erwähnt, dasselbe für den ¾ Takt bestimmt ist. Die einzelnen Viertel sind in dem äuszeren Teilkreis in 2 bez. 4 Teile geteilt (für Achtel und Sechzehntel Noten). Der nächstfolgende Teilkreis bez. die einzelnen Viertel desselben sind in 3 bez. 6 Teile geteilt (also für Triolen und Sechstolen). Der 3. Teilkreis bez. dessen einzelne Viertel sind in 5 und beim 4. inneren Teilkreis in 7 Teile geteilt.

 

Wenn das Musikstück, welches auf die Walze gesetzt werden soll, eine Polka etc. etc. ist, so benützt man, weil diese Stücke im 4 Viertel- oder 2 Vierteltakt geschrieben sind, den äuszeren Kreis.

 

Ist aber das Musikstück ein Walzer, eine Polkamazur oder dergl., so stellt man den Zeiger auf den inneren Kreis ein. Das erste Viertel eines jeden Taktes wird an dem oberen Teilstrich bei a oder bei b eingestellt. Nun wird das erste Viertel des ersten Taktes auf der Walze mittels eines Körners, der in einer scharfen 3kantigen, fräserartigen Spitze endigt und fortrotiert, eingezeichnet; ist dies geschehen, so folgen nun die anderen Noten in diesem Takte, hierauf stellt man nun, wenn der erste Takt auf die Walze gesetzt ist, das erste Viertel des zweiten Taktes ein und zeichnet es auf der Walze ein. Hat nun z.B. der Walzer 64 Takte, so wiederholt sich dies, bis alle 64 Takte auf die Walze gesetzt sind. Nun musz man aber, wie schon früher erwähnt, das Zähnen wählen, damit zwischen dem letzten Takte und dem ersten ein kleiner Zwischenraum bleibt. Dieser Zwischenraum ist notwendig, denn sonst würden die Töne im Schluszakkord des 64. Taktes auf die Stifte des ersten Viertels im ersten Takte fallen. Auch deshalb ist dieser Zwischenraum notwendig, damit sich die Walze auf das zweite, 3., 4. Stück usw. verschieben kann, wenn ein Stück zu Ende gespielt ist.

 

Das wäre nun so ziemlich alles, was über den Takt (das Y im Coordinaten-System) zu sagen wäre.

 

Übergehen wir nun zur Tonskala (die Abszesse X):

 

An einem stählernen Prisma ist ein Schuber angebracht, welcher genau parallel zur Walzenachse verschiebbar ist. Dieser Schuber trägt den Einsetzer, welcher dazu dient, den jeweilig zu setzenden Ton einzustellen. Zu diesem Zwecke ist, wie die obenstehende Figur zeigt, eine Art Zahnstange angebracht, auf welcher die Tonskala befestigt ist. Will man nun einen Ton auf die Walze setzen, so setze man den Einsetzer auf jenen Zahn der Zahnstange ein, welcher mit dem betreffenden Ton übereinstimmt, was man an der mit der Zahnstange verbundenen Tonskala ablesen kann. Nun ist auszer diesem Einsetzer auch noch der auf der vorigen Seite erwähnte scharf als Fräser zugesch[n]itzte Körner auf dem Schober befestigt, und wenn der Ton mit dem Einsetzer richtig eingestellt ist, so wird dieser als Fräser wirkende Körner an die Walze gesetzt gedrückt, und es wird dort, da er schnell rotiert, ein Punkt eingefräst. An dieser Stelle wird dann, nachdem das ganze Tonstück auf die Walze gesetzt ist, ein kleines Loch zur Aufnahme des Stiftes, der dort eingeschlagen wird, gebohrt. Wenn man die Tonskala ansieht, so findet man, dasz fast alle Töne 2-, 3-, auch 4fach besetzt sind. Dies hat seinen Grund darin, dasz, wenn es das Stück erfordert, dasz ein- und derselbe Ton mehr als einmal ertönen soll, ein Stift auf den anderen fallen würde, wenn der Ton nur einmal besetzt wäre. Es ist daher notwendig, je nach Bedarf jeden Ton, der mehreremale hintereinander ertönen soll, auch mehreremale zu besetzen.

 

Dies gilt jedoch nur für selbstspielende Werke, welche einen Stahlkamm als Tonskala haben. Bei Leierkästen u.Ä. ist dies nicht nötig. [Goldhoorn, Anhang J, S. 168–170]