Die Genfer Uhrmacher-Kolonie 1789 bis 1800 brachte eine Umstellung der Wiener Uhrbestandteilproduktion mit sich.

Im Jahr der französischen Revolution holte Joseph II. Schweizer Uhrmacher nach Wien. Durch deren Anwesenheit kam es zu einer Umstellung der Wiener Uhrenbestandteilhandels erzielt, die man eine Art

„Schweizer Revolution der Wiener Uhrenbestandteilefabrikation“

bezeichnen könnte.

Damit wurde der Weg für eine eigene Spielwerk-Produktion geebnet, die ohne Zulieferindustrie nicht entstehen kann.

Wie Joseph II. im Jahr 1789, dem Jahr der Französischen Revolution, mehrere Schweizer Uhrmacher, die bereits in Konstanz ihr Quartier aufgeschlagen hatten, nach Wien holte, und welche Vergünstigungen wie dafür erhielten, zeigt Stephan Edler von Keeß:

 

Wichig ist die fünfte Zeile von unten: Die Wiener Uhrmacher erhielten die Gelegenheit, die Uhrbestandteile „aus erster Hand“, also von der Schweizer Uhrenindustrie zu beziehen.


Interessant ist der rot markierte Satz: Letztlich konnte die Maßnahme von Joseph II. es nicht verhindern, dass sie Schweizer Uhrmacher mit ihren billigen Uhrenalle Länder überschwemmten“ und die Kleinuhrmacher in eine Lage brachten, dass sie nur mehr „auf Reparaturen und einen kleinen Handel beschränkt“ wurden.

 

Sehr wichtig dürfte auch der Satz über der roten Markierung sein, in dem darauf hingewiesen wird, dass die Bestandteilfabrikation (für Kleinuhren) sogar einheimisch wurde.

 

Die Etablierung einer einheimischen Spielwerkproduktion steht und fällt mit einer eigenen Zuliefererindustrie, die in den 1790-er Jahren wesentliche Impulse aus der Schweiz erhielt. Zu einer frühen Übernahme der schweizer Kammpielwerkproduktion noch im 18. Jahrhundert kam es jedoch nicht.


Ein Trakt des Piaristenhauses, Wiedner Hauptstraße 82, id. Ziegelofengasse 2, id. Phorusgasse 1, wurde der „Genfer Uhrmacherkolonie“ zur Verfügung estellt. Aus Konstanz kommend, waren sie etwa elf Jahre lang hier tätig, bis die „Kolonie“ von selbst zerfiel und sich deren Protagonisten selbständig machten.


Quelle:

 


Goldhoorn berichtete in seinem 1999 erschienen Buch über „Die Österreichische Spielwerkemanufaktur im 19. Jahrhundert“ auf den Seiten 14 und 15:

Die Kaiserliche-Königliche privilegierte Genfer Uhrenfabrik

Zu Ende des 18. Jahrhunderts bestand eine enge Beziehung zwischen Schweizer und österreichischen Uhrmachern. Kaiser Josef II. versuchte, der nach dem Siebenjährigen Krieg (1756–1763) und seinen wirtschaftlich verheerenden Folgen in Monotonie versunkenen Industrie seines Landes während seiner Regentschaft von 17801790 einen kräftigen Ansporn zu geben.

Unter anderem brachte er Uhrmacher aus Genf nach Konstanz (damals österreichisch). Der Erfolg jener Gruppe war allerdings nur mäßig, worauf der Kaiser 1789 entschied, die Genfer Uhrmacher nach Wien umzusiedeln, um dort eine Uhrenmanufaktur zu gründen.

Vermutlich hat Josef II. diese Idee von Friedrich II. (17401786) kopiert, der in Berlin Ähnliches geschaffen hatte. Die Berliner Manufaktur ging etwa 1810 Bankrott, und auch die in Wien scheiterte.

1789 entstand in Wien die Kaiserlich-Königliche priv. Genfer Uhrenfabrik unter der Leitung von Peter Cabrit, Franz Chavannes und Josef Pompejo. 93 Meisterfamilien und ihre Gehilfen gehörten ihr an. Es war wohl mehr eine Arbeitsgemeinschaft denn eine Fabrik, in der jeder Arbeiter jeweils Einzelteile einer Uhr fertigte. In Wien zollte man dieser Arbeitsteilung keinen Beifall, man war es gewohnt, die komplette Uhr in eigener Regie zu bauen, und, obwohl spezielle Teile, Federn, z.B., natürlich von spezialisierten Zulieferern hergestellt wurden, schien eine so umfassende Arbeitsteilung wie in der Uhrenfabrik gehandhabt, den Uhrenmachern damals nicht nachahmenswert. „Vielleicht lag es am Stolz der einzelnen Meister, ihr perfektes Können unter Beweis zu stellen, oder an der Mentalität des Uhrmachers, der beim Bau einer Uhr nicht nur den Zeitmesser und damit verbunden das Kommerzielle darin sah, sondern eine durch seinen Geist und seine geschickten Hände entstandene Schöpfung, die des Meisters persönliche Prägung trägt.“, schreibt Hans Wesely in seinem Aufsatz „Interessantes über die Wiener Uhrmacherkunst aus der Zeit von 1780 bis 1830“. Schon im Jahre 1800 schloss die Fabrik ihre Pforten, die Initiative des Kaisers war fehlgeschlagen. Nun könnte man meinen, viele der Schweizer Arbeiter seien in Wien geblieben und hätten sich dort nach einer neuen Arbeitsstelle umgesehen. Nichts ist weniger wahr, und das ist beweisbar: die Namen der Schweizer waren bekannt, tauchten aber in keiner österreichischen Namensliste von Uhrmachern je wieder auf. Ob sie einen anderen Beruf gewählt haben, konnte nicht eruiert werden. Man nimmt vielmehr an, dass sie nach Genf oder zumindest in die Schweiz zurückgekehrt sind. Diese Leute haben also die österreichische Spieldosen-Industrie nicht gegründet, aber es scheinen sich doch Kontakte zwischen Österreich und der Schweiz erhalten zu haben. Gelegenheiten zur Kontaktpflege ergaben sich, als ab 1815 österreichische Truppen in der Schweiz lagen; es wird unterstellt, es habe zwischen der Schweizer Bevölkerung und der Armee seither enge Kontakte gegeben. Für diese Behauptung braucht man allerdings einige Fantasie und findet in der Geschichte nur wenige Anhaltspunkte dafür, denn die Armee überwachte hauptsächlich die Ostseite der Schweiz. Allerdings wissen wir von einem Kleinuhrmacher, Franz Schuster, dass er „eine Repetieruhr auf französische Art mit Silindergang, welche auf Stahlfedern schlägt und mit einem Spielwerk versehen ist“ gebaut hat, dem 1813 „auf sein geziemende(s) Bitten (hin) so eine Uhr zu machen gegeben wird.“ (Lunardi: Alte Wiener Uhren und ihr Museum).

Danach scheint es um die ,Geburt´ einer Spielwerk-Industrie wieder still geworden zu sein. Diese anhaltende Stille ist auch den ehemaligen Behörden der Tschechoslowakei zu verdanken. Karl Fischer meldete in seinem schon erwähnten Aufsatz: „Nach dem Zweiten Weltkrieg sind fast alle historischen Zukunftsurkunden verloren gegangen; sie waren Eigentum der Uhrmacherzunft und wurden bei deren Auflösung im Jahre 1950 zum Altpapier geworfen, da die entstehende sozialistische Genossenschaft kein Andenken an die frühere kapitalistische Lebensart haben wollte.“