Das einzige bekannte Olbrich-Spielwerk mit einer Austauschwalze (rechange cylinder)

 

Von den übrigen Spielwerkfabrikanten aus Böhmen und Wien ist bisher kein weiteres Bespiel einer Austausch- (rechange cylinder) und kein einziges einer Wechselwalze (rechange cylinder) bekannt geworden

 

1.) Beschreibung

2.) Musikprogramm

 

 

 

 

Das Musikprogramm: 6 Musikstücke

 

In einer Kassette mit einer Lagerungsvorrichtung für eine Wechselwalze und vorne mit drei Fächern, das mittlere mit einem gepolstertem Deckel für Nähnadeln. Die Geschenknehmerin muss also eine Dame gewesen sein. Die gusseiserne Grundplatte wurde zur Messingimitation goldfarben angestrichen.


Aufgeschraubte Messing-Plaketter auf der Deckel-Aussenseite


5 Kammschrauben


A. Olbrich [jun.] in Wien


Auf der Kammträgerunterseite hat ein Werkzeug 12 Kerben, die auf der obigen Abbildung blinken, hinterlassen, was sonst nicht zu beobachten ist. Möglicherweise wurden die Musikstücke einzeln geprüft und danach die Unterseite des Kammträgers eingekerbt um keines zu vergessen. Da zwei Walzen vorhanden sind und jede sechs Arrangements umfasst, sind für das, was man heute als „Soundcheck“ bezeichnen würde, 2 mal 6 = 12 Kerben nötig.




Restaurierungsbefund

Der Restaurierungsbericht vom Herbst 2018 ist äussert interessant:

 

1.) Am gesamten Spielwerk gibt es außer dem Stempelabdruck „A. Olbrich in Wien“ auf dem Kamm keine weiteren Markierungen, keine Nummern, gar nichts Eingeritztes oder Geprägtes.

 

2.) Es ist, befindet Hans-Jürgen Eisel, wohl aus der Schweiz bezogenen T‎eilen gebaut bzw. haben auch Schweizer Bestandteile Einzug gehalten.

 

3.) Die gesamte Bauweise ist keinesfalls das, was man als typisch für Anton Olbrich [junior] bezeichnen könnte. Hans-Jürgen Eisel im Originalton: „Nichts passt so richtig zusammen, alles ist unprofessionell aufgebaut, der rechte Federhauskloben hängt fast zur Hälfte frei in der Luft, da die Aussparung auf der Grundplatte zu groß ist, die Höhen sind schmerzhaft spröde. Auch ein Nachlöten des Kammes hat keine Verbesserung gebracht.“

 

4.) Hans-Jürgen Eisel stellt fest: „Der Windfang läuft zwar an, rattert aber, und ein halber Flügel fehlte. Und die Bestiftung ist katastrophal. Da sind Stifte drauf sie sind so kurz, das sie kaum die Zungen anreisen. Dafür sind Stifte drauf, die so lange sind, dass sie regelrecht umgecknickt werden müssen um die Zungen nicht so stark anzuheben, weil die Gefahr besteht dass die Zungen abbrechen.“

 

 

 

Rechts unten der Finger, der in das Sternrad eingreift und den Walzenverschub bewerkstelligt und damit den Wechsel des Musikstückes ermöglicht.

 

5.) Trotz fünfwöchiger Bemühung ist das Resultat der mühsamen Arbeit somit bescheiden. Das Restaurierungsobjekt erwies sich somit als äußerst undankbar.

 

6.) Es muss wirklich eine weitere Walze vorhanden gewesen sein, die leider verloren gegangen ist. Die einzige vorhandene Walze lässt sich mühelos in die Walzenhalterung einsetzen:

 

 

Rückschlüsse aus dem Restaurierungsbefund

 

1.) Ein Umbau in der Schweiz ist extrem unwahrscheinlich.

 

2.) Die Kassette mit dem Fächern für zwei Ersatzwalzen ist von 1886 datiert und mit extrem hoher Wahrscheinlichkeit original. Das Spielwerk muss unmittelbar nach der Auftragserteilung gefertigt worden sein, da kaum jemand ein Erinnerungsstück schon Jahre vorher bestellt.

 

3.) Die Frage, welcher Arbeiter bei dieser Einzelbestellung so untypisch gearbeitet hat, lässt sich heute nicht mehr klären. Der Firmeninhaber, Anton Olbrich junior, geboren 1820, war zum Zeitpunkt der Fertigung dieses Spielwerkes etwa 66 Jahre alt. Im Jahr 1892 verstarb er an einem chronischen Leiden. Vielleicht setzte dieses im Jahr 1886 ein und hinderte Olbrich kurzfristig daran, sich um die Kontrolle seiner Arbeiter zu kümmern.

 

4.) Das Füllmaterial der Walze ist wie oft üblich Baumharz, wie das Hans-Jürgen Eisel in einem heroischen Selbstversuch durch einen Geschmackstest herausgefunden hat.

 

5.) Alle hier getroffenen Aussagen wurden ohne materialtechnische und metallurgische Untersuchungen getroffen. Vielleicht wird es in Zukunft leichter und billiger als heute möglich sein, aus einer Analyse der Zusammensetzung der Bestandteile aus der Schweiz Rückschlüsse zu ziehen.

6.) Weitere nähere Hinweise auf die merkwürdige Diskrepanz zwischen einer gewiss nicht billigen Einzelbestellung und der untypisch unprofessionellen Ausführung des Spielwerkes, für das ja eine zweite Walze produziert worden sein muss.

 

7.) Ungeklärt wird wohl die Frage bleiben, ob das Musikprogramm eigens auf den Geschmack der Geschenknehmerin zugeschnitten wurde oder nicht.

 

8.) Die fehlenden Werk- bzw. Musiknummern sind wohl ein Hinweis darauf, dass nur ein einziges Exemplar gefertigt wurde und keine Bestiftungsschablone für eine spätere Anfertigung hergestellt wurde. Dies könnte die Annahme nähren, dass das Musikprogramm bestellt wurde und Olbrich kein Zweitexemplar eines Einzelstückes vorbereiteten ließ, um dem oder der Auftraggeber(in) auch wirklich ein Unikat zu liefern. Das Spielwerk muss also deutlich teurer gewesen sein als die damals üblichen 12 Gulden. Inklusive der Kassette ist ein Preis von rund 80 Gulden anzunehmen.

 

Das einzige bekannte Olbrich-Spielwerk mit Wechselwalze nach vollendeter Restaurierung im Jahr 2018:

 

 


 

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