August Bartl, Spieluhrmacher, geb. 1825 in Blumenau in Preussisch-Schlesien, in Wien erwähnt ab 1859, gest. am 5. November 1880 in Wien

 

Edmund Bartel, Sohn von August Bartl, Spieluhrmacher, erwähnt von 1883 bis 1925, Geschäftsaufgabe vermutlich 1924

 

 

Firmengeschichte

 

August Bartl (Bartel)

 

Adressen:

1859–1860: Gumpendorf, Schmalzhofgasse 561
1864–1881: VI. Schmalzhofgasse 16 (= Nr. 561)
Vermutlich der Vater von Edmund Bartl

Ab 1871 wird A. Bartl nur mehr im Branchenverzeichnis (BV) des Lehmann-Adressbuches und nicht mehr im Namensteil erwähnt, was sich eigentlich entweder nur durch einen Wohnsitz ausserhalb von Wien oder durch jahrelange Nichtanmeldung in der Schmalzhofgasse 16 erklären lässt.

 

 

Schmalzhofgasse 16 ist das Eckhaus identisch Webgasse 31.

 

Lebenslauf: August Bartl, Spieluhrenfabrikant, geb. 1825 (errechnet) in Blumenau in Preussisch-Schlesien, verstarb 55-jährig am 5. November 1880 (Wiener Zeitung 11. November 1880, S. 11).

 

August Bartl gehört also der Generation von Anton Olbrich jun., 18201892, und Franz Einsidl, 18201880, an. Im Jahr 1880 verstarben also sowohl Einsidl als auch August Bartl, das Geburtsjahr 1820 teilen sich Olbrich jun. und Einsidl. Am 29. April 1892 verstarb Anna Marie Bartel, „Spieluhrenmachers-Witwe“, die Gattin von August und Mutter von Edmund B., siebzigjährig im 6. Bezirk, Schmalzhofgasse 16, an „Altersschwäche“ (Das Vaterland, 5. Mai 1892, S. 6).


Edmund Bartel

Nach dem Tod des Vaters im Jahr 1880 übernahm Edmund B. die väterliche Firma und leitete diese 42 Jahre. Die Adresse blieb stets unverändert:

1883–1925 (vermutlich nur 1924): VI., Schmalzhofgasse 16.

Dieser Eintrag ist ein später Beleg für den Ausdruck Stahlfeder-Spielwerk. Zum Titelblatt des Verzeichnisses von F. Erich.

Ab 1901 wird ausdrücklich „Spieluhrenverkauf“ vermerkt, doch später nennt sich Edmund Bartl sich wieder „Spielwerkerzeuger“.

Damit war die Firma mehr als 65 Jahre im selben Haus beheimatet! Dies erklärt sich häufig nur dadurch, dass die Bartels Hauseigentümer waren. Dies stimmt jedoch nicht, weil mehrfach Mitglieder der Familie Schmieder als Hausbesitzer nachweisen lassen: Zuerst im Jahr 1870, Wiener Zeitung 18. Juni 1870, S. 11, zuletzt 1905, Bautechniker, S. 546).

 

Der erste Jahrgang des Adressbuches, in dem Edmund Bartl nicht mehr aufscheint, ist von 1926, allerdings ist er im Häuserverzeichnis des Jahres 1925 auch nicht mehr als Mieter angeführt. Im Namensverzeichnis des Jahres 1925 scheint E. B. letztmalig, offenbar zu Unrecht, noch auf:

 

Laut Kipper gab es im November 1924 nur mehr zwei Spieluhrenerzeuger, ihn selbst und Barbara Wyskočil. Wenn das stimmt, muss E. B. knapp spätestens im Oktober 1924 sein Gewerbe aufgegeben haben.

Laut dem Lehmann-Adressbuch 1927/1928 zog in das Haus die Klavierfirma Hölzl sein, also eine Firma, die eher viel Platz braucht. Ob sie in die Räumlichkeiten Bartls einzog, lässt sich nicht beweisen, und ist auch nicht einmal vermuten: Die Nachfolgefirma einer Seidenfabrikation, die der ehemalige Hausherr Schmieder und dessen Tochter betrieben hatte, wurde zu dieser Zeit ebenfalls frei. Vielleicht die Klavierfirma sogar beide ehemaligen Werkstätten gemietet.


Die Spätzeit der Spielwerkproduktion

Die „Olbrich-Wolke“ oder „Olbrich-Wyskočil-Bartl-Wolke“

Man darf wohl die Größenordnung der Produktionszahlen in Korrelation mit der Häufgkeit von Bartl-Spielwerken setzen. Da erhebt sich die Frage, wie zwei Generationen von so verhältnismäßig wenig Spielwerken gelebt haben können. Einerseits betrieb Edmund Bartel um 1900 ja nur einen „Spieluhrenverkauf“, betrieb also nur den „Verschleiss“, wie man damals sagte, von (zugekauften) Spielwerken, andererseits dürfte ein Arbeiter von Olbrich nach dessen Tod 1892 teilweise auch für Bartl gearbeitet haben, sodass vielleicht ein kleiner Teil der ungemarkten Spielwerke von Bartl bei den Olbrich vermerkt könnten. Der Betreiber der Homepage, Otmar Seemann, spricht in diesem Zusammenhang gerne von einer „Olbrich-Wyskočil-Bartl-Wolke“ um die Unschärfe hinzuweisen und betonen die Notwendigkeit eines weiteren Forschungsbedarfes und vor allem auf die Miteinbeziehung vieler weiterer Spielwerke, die hoffentlich in Zukunft noch auftauchen werden. Edmund Bartel gehört neben Agassi, Barbolani und Kipper zu den vier noch im 20. Jahrhundert tätigen Spielwerkmachern.

 

Die Spielwerke von Vater und Sohn Bartl unterscheiden sich beträchtlich. Während August B. noch ganz der Obrich-Tradition verpflichtet war, musste sich Edmund an die neue Zeit anpassen und dürfte mehr Werke hergestellt haben, die eine Walzenlänge von 17, 20 und mehr cm aufwiesen. Dem üblichen 10-cm-Walzenlänge-Spielwerk erwuchs am Ende des 19. Jahrhunderts in den massenhaft auftauchenden kleineren Schweizer Spielwerken, die einen Bruchteil der Wiener Werke kosteten, eine enorme Konkurrenz. Die kleinen Schweizer Werke waren ab 2,50 oder 3 Gulden zu haben, ihre nur unwesentlich größeren wienerischen Konkurrenzprodukte um immerhin 18 Gulden. Um überhaupt noch ein Spielwerk verkaufen zu können, war man teilweise wohl gezwungen, größere Werke zu bauen. Die Schweizer Konkurrenz-Werke kosteten 40, 50, 60 und bis zu 100 und mehr Gulden, waren aber technisch wesentlich aufwändiger ausgestattet (Glocken, Trommeln, Klangstäbe, Aeol-Stimmen und Mandolinen-, Pianoforte‎-, Organocleide-, Piccolo- und Zithereffekte) und die Kassetten sind aufwändig furniert und intarsiert. Mit anderen Worten: Die breite Palette der Billigproduktion und das noch breitere Angebot der Luxusobjekte war den Schweizern vorbehalten, und nur eine schmale Mittelschicht von Spielwerken, die mit der aufwändigen Ausstattung der Schweizer nicht mithalten konnten und dementprechend preisgünstig gewesen sein müssen, blieb den Wienern übrig. Sie konnten also nur ein schmales Segment besetzen: Bei den kleinen Spielwerken waren die Schweizer unschlagbar billig, die größeren waren unnachahmlich aufwändig und technisch anspruchsvoll und schlugen die Wiener Konkurrenz aus dem Feld. Wenn diese überhaupt noch bestehen konnte, hatten die Wiener Hersteller ihre Chance nur in der Pflege der wienerischen bzw. österreichischen Musik, mit der sie die Wünsche der Käufer zufrieden stellen konnten. Eines ist jedenfalls auzuschließen: Zu einem Nachbau von Schweizer Werken kam es in Wien nicht, da die gesamte Infrastruktur dazu fehlte und auch die dazu nötige und entsprechend ausgebildete Arbeiterschaft.

 

Zu einer kurzen Übersicht über die „Olbrich-Wolke“ bitte hier zu klicken.

 

Eisel weist darauf hin, dass Pianoforte-, Mandolinen-, Organocleide- und Sublime- Harmonie-Effekte ohne zusätzlich technischem Aufwand machbar gewesen wären. Es bedarf hier nur einer besonderen Bestiftung und zusätzlicher Zungen am Kamm. Seemann wendet ein, dass dafür keine eingeschulten Arbeiter und keinen erfinderischen und innovativen Arrangeur gegeben hat, der sich von den Schweizern inspirieren ließ. Ein einziges bekanntes Werk mit drei Glocken von Olbrich (ohne Angabe der Werk- und Musiknummer) sind ein Beweis dafür, dass es zwar Ansätze und Versuche gegeben haben mag, aber in einer Zeit sinkender Preise und einer stets größer werdenden Konkurrenz durch die Schweizer Spielwerke dürfte die Existenzfrage vorrangig gewesen sein.

 

Literatur: Kipper 1924, erwähnt statt August den Vornamen: „Alois“, Hopfner S. 38; Lehmann-Adressbuch; Rebnitz; Rosenzweig 1881, 709

 

  

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