Gustav Heinrich Rzebitschek,
24. Januar 1838 (Prag) – 1. Mai 1916
(Prag)
und seine Nachfahren


(Etwa um 1870)


(Etwa um 1885)
(Kowar, S. 26, Abb. 8)


Bevor die Frage beanwortet wird, wie es Gustav Rzebitschek nach der Schließung der Firma erging, er hatte immerhin noch 19 Jahre zu leben, sind noch einige Details aus seinem Leben nachzutragen, die nicht in die Firmengeschichte passen


Ein Faksimile des vom 2. Juli 1884 datierten Taufscheines samt einer Transkription finden sich bei Goldhoorn auf S. 160f.

 

Gustav Rzebitscheks Taufpaten waren Alois Willenbacher und seine Frau Katharina Willenbacher, geborene Kulin, die er am 4. Februar 1834 geheiratet hatte.

 

Aus der Jugendzeit von Gustav Rzebitschek ist uns nichts überliefert.


Die einundzwanzigeinhalb Jahre alte
Johanne Antonia Franziska Rzebitschek,
Ehefrau von Gustav Rzebitschek,
auf dem Deckel einer Rzebitschek-Spielwerk-Kassette

„Das erste Dokument, das ihn erwähnt, ist sein Trauschein, der besagt, dass Gustav am 10. Juni 1867 mit Johanne Antonia Franziska Vernier, Tochter von Karl Vernier, gräflich Thunscher Porzellanfabriksdirektor, und [dessen] Ehefrau Christina, geb. Bayer, die Ehe geschlossen hat. Johanna, aus Klösterle stammend, war zu diesem Zeitpunkt einundzwanzigeinhalb Jahre alt.


Mit Klösterle ist nicht die vorarlbergische Ortschaft gemeint, ...


... sondern das böhmische Klösterle an der Eger, Klášterec nad Ohří


Die 1793 gegründete Gräflich Thun`sche Porzellanfabrik

zählt zu den ältesten Porzellanfabriken in Böhmen. Der Aufschwung der Fabrik begann erst, als 1848 Karl Venier als Direktor angestellt wurde. (Wikipedia)


Klösterle lag ebenfalls nahe an der deutschen Grenze, die Familie war demnach mehr sudetendeutsch als tschechisch. Man sprach zuhause meist Deutsch; so hat Christina, die Frau von Franz, ihr Leben lang nur fehlerhaft tschechisch gesprochen. Die Willenbacher´s waren von Württemberg zugewandert, und man darf annehmen, dass Franz von dieser Familie korrektes Deutsch gelernt hat. Diesem Umstand verdanken wir auch, dass viele Familiendokumente in deutscher Sprache verfasst worden [...] sind. Dazu kommt, dass es im 19. Jahrhundert für den Bürgerstand in der Tschechoslowakei üblich war, deutsch zu sprechen und zu schreiben, was weitreichende Folgen hatte: zu Ende des Jahrhunderts war die tschechische Sprache [in den deutschsprachigen Gebieten] fast verlorengegangen, und man musste viel Mühe darauf verwenden, sie wieder zum Leben zu erwecken. Ab 1860 stark aufkommende Nationalgefühle mögen auch die Ursache dafür sein, dass Gustav seinen Namen fortan auf Tschechisch schrieb, seine Artikel jedoch weiterhin in deutscher Sprache verfasste, wovon einige seiner Arbeiten zeugen.“ (Goldhoorn S. 101f.)

 

„Gustav hat internationale Ausstellungen nicht nur mit Spieldosen bestückt. Seine Berufstätigkeit umfasst viel mehr als `nur´ das Herstellen von Spieldosen. Bereits sein Vater war ein berühmter Bauer astronomischer Uhren gewesen, und Gustav war hierin ein würdiger Nachfolger. Eines der vielen Adressbücher aus dem Jahre 1875 betitelte ihn als Sternwarte-Uhrmacher. 1885 stellte er während der Invention Exhibition in London selbst entworfene technische Apparate aus. Gustav hat auch eine elektrische Uhr gebaut, die Dr. A. Waltenhofen 1879 in seinen `Abhandlungen der königl. böhm. Gesellschaft der Wissenschaften´ begeistert beschrieb (VI. Folge, 10. Band). Man darf annehmen, dass jener Aufsatz nicht der einzige lobende über Gustav Řebiček war. Es gab auch einen nicht datierten, aber eigenhändig von ihm geschriebenen Aufsatz über die Thermosäule, womit er wiederum sein weitgespanntes Können unter Beweis stellte. Leider ebenfalls undatiert ist ein Aufsatz in einem Heft über ` einen neukonstruirten Typendrucktelegraphen von Gustav Řebiček´. Gustav hat offenbar auf vielen verschiedenen Ebenen Untersuchungen angestellt. Im Kapitel `Die Erzeugung´ wurde schon auf den wichtigen Aufsatz von Gustav mit dem Titel `Vom Setzen von Musikstücken auf Walzen für selbstspielende Musikspielwerke´ hingewiesen. Leider ist auch dieser Aufsatz undatiert. Gustav kann ihn also entweder während seiner aktiven Berufszeit geschrieben haben, oder aber später. Diese Abhandlung dürfte jedenfalls die einzige nachgebliebene über dieses Verfahren sein. Auch aus der Schweiz sind solche exakte Beschreibungen kaum bekannt. Das besagt nicht, dass wir daraus Neues erfahren. Seine Methode ist – dank der noch vorhandenen Maschinen (u.a. im Technischen Museum Wien) – ohne diese Abhandlung nachvollziehbar. Der genaue Wortlaut mit den von Gustav selbst gezeichneten Bildern ist als Anlage J beigefügt.“ (Goldhoorn S. 102f.)

 

Aus seiner Ehe mit Johanna Vernier stammen 4 Kinder:
Gustav (1877–1878),
Frantisek (18791884),
Rudolf (18811898) und
Zdenko (18821949).

 

Die Geburten seiner (einzigen) vier Enkelkinder hat der 88-jährig am 12. Dezember 1889 verstorbene Franz Rzebitschek also noch erlebt.

 

Gustav Rzebitschek musste es miterleben, dass seine ersten drei Kinder in frühen Kindesalter bzw. als Jugendliche starben. Nur der jüngste Sohn, Zdenko, erreichte des Erwachsenenalter und wurde 67 Jahre alt.

 

Zdenko Rzebitschek. Das hohe Alter seines 78-jährig verstorbenen Vaters Gustav, und das seines Großvaters Franz, der 89 Jahre alt wurde, erreichte Zdenko Rzebitschek nicht, er wurde nur mehr 67 Jahre alt, sein 1904 verstorbener Onkel, der Dirigent Josef Řebiček, gar nur 60 Jahre alt.



Johann Hauptmann, „Werkführer“

 



Teilnahme an der Weltaustellung in Wien 1873“



Gustav Řebičeks Thermoelektrische Batterien



Neue Technologien verdrängten das klassische Spielwerk des 19. Jahrhunderts



Gustav Řebičeks Bruder Josef Rzebitschek (II), 1844–1904, Komponist und Dirigent



Es folgt die Beantwortung der Frage, wie es Gustav Rzebitschek nach der Schließung der Firma erging


1899


Vorstandsmitglied des Clubs deutscher Amateur-Photographen in Prag



1900



1901


„Hersteller von Musikinstrumenten, Gerichtlich beeideter Sachverständiger“, also eine nicht aktualisierte Fortschleppung nicht des alten Datenbestandes von 1896


1910


„Privatier, Gerichtlich beeideter Sachverständiger“


191?


„Als eine dritte Bauchoperation notwendig wurde, bat er [Gustav Řebiček] den Chirurgen, die Wunde diesmal mit Knöpfen zu verschließen.“ (Goldhoorn S. 104)


1915


Im Februar dieses Jahres schrieb Gustav Řebiček seine kurze Firmengeschichte.


1916


Am 1. Mai 1916 verstarb Gustav Řebiček. Er wurde 76 Jahre alt.

 

Gustavs Vater Franz Řebiček waren 88 Lebensjahre gegönnt gewesen, Gustavs Sohn Zdenko Řebiček sollte nur 67 Jahre alt werden.


Zdenko Řebiček: Beamter der k.k. Staatsbahnen


„Als Zdenko vor der Berufswahl stand, hatte sein Vater die Fabrikation von Spieluhren längst aufgegeben, er wandte sich der Eisenbahn zu und wurde u.a. Assistent bei den k.k. Staatsbahnen. Aus Zdenko´s Ehe wurden 2 Kinder geboren: Rudolf und Silvia. Rudolf heiratete, seine Ehe blieb jedoch kinderlos. Also ist Silvia Franzens´s einzige Nachfahrin. In Prag aufgewachsen, verheiratet, beheimatet, sah sich die Familie durch die politischen Verhältnisse gezwungen, ihr Vaterland zu verlassen und nach Wien zu ziehen.“ [Goldhoorn S. 104]


Silvia Řebiček, verehelichte Mandic


Die Vertreibung der Deutschen aus der Tschechoslowakei, tschechisch Odsun, wörtlich übersetzt ‚Abschiebung‘ oder ‚Abtransport‘, betraf bis zu drei Millionen Deutsche aus der Tschechoslowakei in den Jahren 1945 und 1946. Im Beneš-Dekret* Nr. 108 vom 25. Oktober 1945 wurde festgeschrieben, dass das gesamte bewegliche und unbewegliche Vermögen (Immobilien und Vermögensrechte) der deutschen Einwohner konfisziert und unter staatliche Verwaltung gestellt wird. Nach der Formulierung der deutschsprachigen Wikipedia (eingesehen am 23. Juni 2019) erfolgte die „Vertreibung unter Androhung und Anwendung von Gewalt“. Über die Zahl des Todesopfer gehen die Angaben der Tschechei und der „heimatvertriebenen“ Sudetendeutschen, also der Deutschböhmen, Deutschmährer und Deutschschlesier, sehr weit auseinander.

 

Silvia Mandic, im Jahr 1945 „heimatvertrieben“, die einzige Nachfahrin von Franz und Gustav Rzebitschek, ließ sich in Wien nieder und verstarb im Jahr 2015 in einem Altersheim in Wien. Helmut Kowar hatte und nutzte die Gelegenheit, die ältere Dame mehrmals zu besuchen und Informationen für die Nachwelt zu retten.


*Edvard Beneš, geb. 28. Mai 1884, gest. 3. September 1948, gewählter teschechoslowakischer Staatspräsident 1935–1938 und 1945–1948 sowie selbst ernannt in den Jahren 1940–1945.